Kapitel 14: Judithchen und Evitchen

Am nächsten Morgen saßen Vanessa, Vera, Lisa, Eva, Maria, Paula, Bobby, Lina, Julia und Mark wieder auf der Bank im Garten von Nandre und Zarahs Haus und warteten auf Nandre und Zarah. Dabei sahen sie völlig lustlos und sehr verdrießlich aus. Niemand von ihnen hatte richtig Lust auf den Spaziergang durch den Park.
Nach einer Weile kam Nandre aus dem Haus.
"Wo bleibt Zarah?", fragte Julia und Lina gähnte gelangweilt. Ihr war es egal, wo Zarah war.
"Die macht noch ihren Schwangerschaftstest", erklärte Nandre.
"Oha", sagte Lisa. Sie versuchte, möglichst erstaunt zu klingen.

Zarah kam aus dem Haus.
Vanessa, Vera, Lisa, Eva, Maria, Paula, Bobby, Lina, Mark, Julia, Nandre und Zarah gingen in den Park.
Eva, Maria und Paula redeten leise über Anom und Bobby. Der Welpe selbst lief fröhlich vor ihnen her, bellte ab und zu und setzte sich manchmal brav auf den Boden, damit Paula ihm ein Leckerli gab.
Julia tuschelte mit Mark.
Lina ging neben den beiden her und dachte sich Strategien aus, wie sie später zu einer erfolgreichen Geschäfstfrau werden könnte.
Vanessa und Lisa überlegten, welche Bubbletea-Sorten sie am leckersten fanden.
Vera ging etwas abseits von ihnen und schwieg. Sie tat so, als ob der Streit mit Zarah sie verstört hätte.
Zarah und Nandre fühlten sich ein wenig ausgeschlossen.

Marlen saß auf der Couch und las Zeitung. "Isabella", sagte sie, "ich lese dir mal was erstaunliches vor."
"Gut", sagte Isabella,"leg los."
"Die Überschrift des Artikels lautet: 'Mörderin aus dem Staatsgefängnis ausgebrochen'", sagte Marlen.
"Ich kann mir gut denken, dass es sich in dem Artikel um Tanja handelt. Lies vor!", sagte Isabella.
Marlen räusperte sich. "'Am Freitag saß die berüchtigte russische Mörderin Tatiana Zibirskaja noch miesepetrig in ihrer Zelle, am Samstag jedoch war die Zelle leer und das Gitter durchgebrochen. Mittlerweile haben wir herausgefunden, dass ein Freund der Mörderin, der allerdings ebenfalls kriminell ist, ihr geholfen hat, unentdeckt auzubrechen. Sein Name ist bei der Südstädter Polizei schon bekannt: Aloscha Wladimirowitsch Kuznetsov. Er ist Safeknacker und Dieb. Nun ist Tatiana Zibirskaja auf freiem Fuße. Wir bitten Zeugen um Informationen.'", las sie.

"Wow, erstaunlich", sagte Isabella.
Marlen nickte.
Isabella fand, dass sie ein wenig traurig aussah. "Ist irgendwas mit dir los? Du siehst ein bisschen unglücklich aus", sagte sie.
"Na ja...", sagte Marlen. "Ich muss ständig daran denken, dass Tanja Greta umbringen wollte. Greta. Greta Kowalski. Meine Blutsverwandte. Sie wollte Greta umbringen, obwohl sie meine Freundin ist." Sie senkte den Kopf und seufzte. "Jedenfalls war sie das mal. Ob sie immer noch meine Freundin ist, weiß ich nicht", sagte sie leise.

Meti knetete den Teig. "Eine von euch kann jetzt mit mir backen", sagte sie. "Die andere könnte vielleicht..."
Evita unterbrach sie. "Die kaputte Leselampe in meinem Zimmer reparieren! Das macht übrigens Judith!", rief sie.
"Nö! Du musst auch mal was machen! Weil ich bin nicht deine Dienerin!", protestierte Judith und verschränkte unzufrieden die Arme.
"Natürlich bist du das nicht. Und warst du leider auch nie. Müsstest du mal echt werden", entgegnete Evita.
Judith schnaubte und trat Evita auf den Fuß.
"Deswegen bin ich im Recht, du dummes dickes Judithchen", fuhr Evita hochnäsig fort.
Judith rief: "Du schimpfst mich vielleicht mehr, als ich dich, aber das heißt noch lange nicht, dass du im Recht bist, du eitles überstyltes Evitchen!" Sie akzeptierte es nicht so leicht , dass Evita sie ein "dummes dickes Judithchen" nannte.

"Du provuzierst mich noch! Hör sofort auf!", sagte Evita laut, um möglichst zu vermeiden, von Judith unterbrochen zu werden.
Judith schrie: "Tu ich nicht, bis du aufgehört hast!"
"Chill mal!", rief Evita kritisch. Dann schnippte sie arrogant mit den Fingern und sagte noch: "Gib mir die Schüssel mit den Nektarinen, Judithchen! Aber mach schnell, sonst verhungere ich! Und das darfst du nicht zulassen! Los, dalli, dalli!" Sie sah Judith herablassend und missbilligend an.
"Die Kaiserin wird natürlich verhungern. Ja, ja, ganz klar", sagte Judith. Sie verdrehte die Augen und trank einen Schluck Apfelschorle. Dann fuhr sie fort: "Aber ihre unterdrückte, winzige, schmutzige Sklavin Madita Polsterfett gibt ihr, der gigantischen, berühmten, wunderschönen, steinreichen, unbarmherzigen, divenhaften, sagenumwobenen Kaiserin, die Schüssel mit den Nektarinen trotzdem nicht, weil sie zurzeit vermutlich in ihrer duftenden Badewanne liegt und sich von ihren Verehrern bewundern lässt, sich in einer riesigen, eleganten Kutsche zu ihrem ausschließlich aus Diamanten, Rubinen, Opalen und Smaragden bestehenden Palast chauffieren lässt, auf ihrem Himmelbett aus edelstem Samt und Purpur, für den mehrere abertausende von Purpurschnecken ihr Leben geopfert haben, liegt und sich von ihren hunderten Zofen die pinken Rastas flechten lässt, in einem großen, prächtigen Tanzsaal die Männer, die ihr in die Quere kommen beinahe hypnotisiert oder an einer langen Tafel sitzt und jegliche Köstlichkeiten zu sich nimmt, die ihr serviert werden."
"Jetzt übertreibst du aber!", schrie Evita überfordert. Sie fand die Sache nicht mehr witzig und hatte gerade keine Lust, Judith mit ihrem Tonfall zu verschonen.
Judith grinste. "Nö." Sie sagte absichtlich nur ein ganz kurzes Wort, um Evita noch mehr zu überfordern.
Da reichte es Evita entgültig und sie konnte sich gar nicht mehr zurückhalten. "Was soll das grinsen?!", schrie sie so laut sie nur konnte.
"Dich ärgern, du eitles überstyltes Evitchen!", gestand Judith griesgrämig, die jetzt auch nicht mehr grinsen konnte.
"Ey, nenn mich bloß nicht noch mal so, du blöde Zicke!", kam es von Evita.
"Ich bin keine Zicke!", rief Judith sauer.
"Dann bist du eben keine Zicke, sondern ein richtig fettes Drecksschwein!", sagte Evita knallhart und lachte hämisch.
"Selber!", schrie Judith wütend.
"Wenn ich das noch einmal höre, dann... musst du auf der Stelle die WG verlassen!", zischte Evita.
"Werd' ich aber nicht machen!", kreischte Judith rasend. Es war offensichtlich, wie sie gerade den Ton ihrer Stimme bis auf das Maximum gesteigert hatte.

Meti kam hinzu. "Leute, ich hab einen Entschluss gefasst: ihr dürft beide die Kekse backen und ich repariere die Lampe. Wie wär's?", sagte sie.

"Äh... also... naja... du...", stammelte Judith.
"Wir... öh... äh... das ist lieb, aber... also... wir... das... das geht nicht so leicht, weil... wir... weil wir uns halt...", sagte Evita.

"Gut, ich verstehe schon", lachte Meti. "Ihr habt euch gestritten und zusammen könnt ihr es nicht aushalten, ne? Ich würde vorschlagen... Evita backt die Kekse und ich repariere mit Judith die Lampe. Was haltet ihr davon?" Sie sah die beiden aufmunternd an.
Judith und Evita waren einverstanden.
"Puh, immerhin muss ich nicht reparieren", sagte Evita erleichtert.
"Mit Meti macht das reparieren bestimmt viel mehr Spaß als alleine", sagte Judith.

Am nächsten Tag warteten Vanessa, Vera, Lisa, Eva, Maria, Paula, Bobby, Lina, Julia und Mark wieder vor Nandres und Zarahs Haus. Sie sahen noch lustloser und verdrießlicher aus als am Tag zuvor.
"Wann kommen diese Faulpelze denn endlich? Wir warten hier jetzt schon seit einer halben Stunde!", sagte Vera.
"Kommen die überhaupt noch? Wenn nicht, dann soll uns das recht sein", sagte Lisa.
Vanessas Handy gab einen Ton von sich. Vanessa nahm es aus ihrer Tasche und sah nach, was für eine Nachricht sie bekommen hat. Es war eine Nachricht von Nandre.
"Leute, es gibt gute Nachrichten!", sagte Vanessa.
"Welche guten Nachrichten?", fragte Paula.
"Nandre hat mir gerade geschrieben, dass er und Zarah nicht kommen können, weil Zarah richtig schlecht drauf ist und er bei ihr bleiben muss", erzählte Vanessa.
"Zarah hat bestimmt wegen mir schlechte Laune", sagte Vera.

"Jetzt sei doch nicht gleich so pessimistisch! Freu dich, dass Zarah und Nandre beim Spaziergang nicht dabei sind!", sagte Lina und streifte Vera mit einem kritischen Blic
k.

Tanja sah Aloscha ernst an. "Also, ich persönlich finde es unvernünftig, dass du insgesamt schon mit einer Lisha, einer Mascha, einer Roja, einer Natascha, und zwar erst neulich, und mir, Tatiana, zusammen warst!", sagte sie.
"Na und? Worauf willst du hinaus?", fragte Aloscha genervt. Er hatte blondgraue Haare und einen zotteligen Stoppelbart. Außerdem trug er einen alten dunkelblauen Pullover und rauchte eine Zigarette.
"Ich will darauf hinaus, dass du diesen Modus abschalten sollst!", schrie Tanja.
"Und wie? Du schmeißt mich am Ende doch bestimmt auch noch raus!", sagte Aloscha und schnipste die Kippe weg.
"Das werde ich verhindern, denn ich will so gar nicht, dass du noch verrückter wirst und dir nach dem Rausschmiss noch eine Neue suchst!", sagte Tanja.
"Das ist doch nur nötig, nicht verrückt, was ich mache!", rief Aloscha.
"Es ist sehr verrückt! Merk dir das!", schrie Tanja.
"Überhaupt nicht."
"Doch. Aber lass uns nicht mehr weiterstreiten."
"Warum?"
"Weil das sinnlos ist und keinen Spaß macht."
"Mir macht das nicht immer keinen Spaß."
"Meinst du damit etwa, dass..."
"Nein, nein. Mit dir zu streiten macht keinen Spaß."
"Dämliches Thema."
"Über welches Thema sollen wir denn sonst reden?"
"Über gar keins. Wir schweigen einfach, bis ich wieder in meiner WG bin."
"Dumm."
Schweigen.
"Blöd."
Schweigen.
"Doof!"
"Jetzt reicht's mir aber, Aloscha!"
"Mir auch."
"Dann eben doch ein Thema."
"Welches?"
"Schlag du eins vor."
"Nö."
Schweigen.
"Wann muss ich dich dann besuchen?"
"Muss? Musst du nicht, wenn du nicht willst! Wär' aber echt schade!"
"Will ich."
"Dann morgen."
"Geht klar."
"Gut. Aber falls du Wodka mitbringst, trinke ich keinen Schluck davon."
"Wieso? Schmeckt doch!"
"Weil ich davon ohnmächtig werde."
"Zartes Weiblein!"
"Robuste Frau!"
"Ui. Find' ich nicht so."
"Statt Wodka kannst du gerne Kaviar mitnehmen."
"Mach ich."
"Mag zwar Marlen nicht, aber das kann uns ja egal sein, oder?"
"Wenn die diese fiese Halbpolin ist, finde ich das sogar sehr gut."
"Ist die. Bis dann mal."
"Bis dann." ...

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kapitel 17: Jennys Wunsch

Kapitel 10: The power of now

Kapitel 1: Theaterstück und Kakao